Stell dir vor, du befindest dich in einem Online-Shop, der auf den ersten Blick wie ein Paradies für Schnäppchenjäger aussieht. Es werden unzählige attraktiv wirkende befristete Deals angeboten, und bevor du dich versiehst, hast du mehrere Minuten bis Stunden damit verbracht, die für dich besten Deals ausfindig zu machen, um auf eine stattliche Summe zu kommen und dir damit die Versandkosten zu sparen.
Kommt dir diese oder eine ähnliche Situation bekannt vor?
Dieser Blogartikel ergänzt den Vortrag von Lisa Trubina und Hannes Hölzl beim HOLY UX Meetup am 11.06.2024 in Köln. Die beiden UX Researcher von Appmatics und ihren tollen Vortrag kannst Du hier (nochmal) sehen:
Der Begriff „Dark Patterns“ wurde 2010 von dem Usability-Experten und Webdesigner Harry Brignull geprägt. Brignull wollte auf die wachsende Anzahl manipulativer Designpraktiken im Web aufmerksam machen und das Bewusstsein dafür schärfen, wie diese Techniken die Nutzererfahrung negativ beeinflussen können.
Dabei beschreiben Dark Patterns Designs oder Prozesse, die Nutzer*innen täuschen oder manipulieren, um sie zu Handlungen zu verleiten, die sie normalerweise nicht durchführen würden. Sie nutzen dabei menschliche Schwächen und kognitive Verzerrungen aus, um Verbraucher*innen zu unüberlegten oder impulsiven Handlungen zu verleiten. Oft zielen diese Praktiken darauf ab, den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen zu steigern und Nutzerdaten zu gewinnen, zum Vorteil des betreffenden Unternehmens oder der Plattform.
Doch Dark Patterns sind nicht nur problematisch, weil sie das Vertrauen der Nutzer*innen untergraben und Frustration sowie Verärgerung hervorrufen können. Aus ethischer Sicht verstoßen sie gegen die Rechte der Nutzer*innen und machen sich deren Schwächen zunutze.Entscheidend daran ist, dass Menschen nicht von dem Was und auch nur selten von dem Wie begeistert und mitgerissen werden, sondern vor allem von dem Warum?
Rechtlich gesehen bewegt sich der Einsatz von Dark Patterns oft in einer Grauzone. In vielen Ländern gibt es keine spezifischen Gesetze, die den Einsatz solcher Taktiken explizit verbieten. Diese regulatorischen Lücken ermöglichen es Unternehmen, solche Praktiken ohne Konsequenzen anzuwenden. Selbst wenn Gesetze existieren, sind die Strafen oft nicht abschreckend genug, um Unternehmen von der Nutzung manipulativer Taktiken abzuhalten.
Dennoch können bestimmte Dark Patterns gegen allgemeine Verbraucherschutzgesetze verstoßen, die irreführende oder betrügerische Praktiken untersagen. In der Europäischen Union beispielsweise könnten Dark Patterns gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen, wenn sie zur unrechtmäßigen Sammlung von Daten führen. So gibt es auch in den USA den California Consumer Privacy Act (CCPA), welcher die unrechtmäße Sammlung personenbezogener Daten verbietet bzw. strenger reguliert.
Seit dem 17. Februar 2024 ist zudem der Digital Service Act (DSA) in der EU in Kraft getreten, welcher Online-Plattformen in der EU ausdrücklich verbietet von Dark Patterns Gebrauch zu machen. Infolgedessen können Online-Plattformen bald Abmahnungen drohen.
In Anlehnung an die Forschung von Luguri und Strahlevitz (Quelle) gibt es eine detaillierte Klassifikation bestehender Dark Patterns in fünf Hauptkategorien. Diese Kategorien und die darunterfallenden Dark Patterns möchten wir euch hier vorstellen:
1. Druck
Unter Druck zu stehen, bestimmte Handlungen zu unterlassen oder durchzuführen, ist ein weit verbreitetes Dark Pattern. Nutzer*innen werden gezielt manipuliert, um schnell zu handeln oder Entscheidungen zu treffen, die sie unter normalen Umständen vielleicht nicht treffen würden. Zu den Dark Patterns in dieser Kategorie gehören:
2. Erzwungene Handlung
Bei erzwungenen Handlungen haben Nutzer*innen entweder keine Wahlmöglichkeit oder die Alternativen sind mit zusätzlichen Bedingungen verknüpft. Diese Art von Dark Patterns zwingt Nutzer*innen, bestimmte Schritte zu unternehmen, oft ohne deren volle Zustimmung. Zu den Dark Patterns in dieser Kategorie gehören:
3. Hindernisse
Hindernisse erschweren es Nutzer*innen, bestimmte Entscheidungen zu treffen, indem unnötiger oder zusätzlicher Aufwand erforderlich ist. Diese Dark Patterns machen es schwerer, unerwünschte Aktionen zu vermeiden oder gewünschte Aktionen durchzuführen. Zu den Dark Patterns in dieser Kategorie gehören:
4. Erschleichen
Erschleichen beschreibt die Praxis, bei der Nutzer*innen die Konsequenzen ihrer Handlungen nicht bemerken, da heimliche Änderungen vorgenommen wurden. Diese Dark Patterns nutzen oft subtile Tricks, um die Nutzer*innen in eine Falle zu locken. Zu den Dark Patterns in dieser Kategorie gehören:
5. Irreführen
Irreführung umfasst die Gestaltung der Benutzeroberfläche auf eine Weise, die von den üblichen Erwartungen abweicht oder diesen widerspricht. Dies führt oft dazu, dass Nutzer*innen unbeabsichtigte Handlungen durchführen. Zu den Dark Patterns in dieser Kategorie gehören:
Dark Patterns sind darauf ausgelegt subtil, überzeugend und trügerisch zu sein. Daher ist es wichtig, dass wir als Verbraucher*innen die genannten Taxonomien von Dark Patterns erkennen und uns auch zukünftig besser davor schützen können. Einige Möglichkeiten, wie wir uns vor Dark Pattern schützen können, möchten wir im Folgenden als allgemeingültige Tipps mitgeben:
Sei kritisch und skeptisch
Hinterfrage die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Informationen und Angebote, die du online siehst. Vergleiche Preise, Funktionen, Vorteile und Nachteile verschiedener Produkte oder Dienstleistungen gründlich. Suche nach unabhängigen Bewertungen, Ratings oder Empfehlungen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Sei selbstbewusst und wählerisch
Lass dich nicht von Druck oder Versuchungen dazu verleiten, impulsiv oder emotional online zu handeln. Nimm dir die Zeit, fundierte und rationale Entscheidungen zu treffen, die mit deinen persönlichen Zielen und Werten übereinstimmen. Melde dich von unerwünschten Newslettern, Benachrichtigungen oder der Weitergabe von Informationen an Dritte ab. Kündige Abonnements oder Konten, die du nicht mehr nutzt, um deine Online-Präsenz zu minimieren und dich vor Dark Patterns zu schützen.
Dark Patterns waren und sind bis heute noch ein bestehendes Problem in der Online-Landschaft. Manchmal sind wir uns sehr bewusst, dass Dark Patterns auf Online-Plattformen zutage kommen, und manchmal verleiten sie uns dann doch unbewusst dazu, dass wir Handlungen durchführen, die wir so nicht gemacht hätten.
Gesetze wie der Digital Service Act (DSA) und die DSGVO bieten in der EU bereits eine rechtliche Grundlage, um den Einsatz von Dark Patterns zu verbieten. Dennoch liegt noch ein langer Weg vor uns, bis wir in einer Welt leben, in der Dark Patterns keine Rolle mehr spielen werden. Somit müssen wir als Nutzer*innen wachsam bleiben und uns der manipulativen Tricks bewusst sein.
Autorin dieses Blogartikels ist
Lisa Trubina
User Experience Researcher & Designer bei Appmatics
https://www.linkedin.com/in/lisa-trubina/
19.07.2024
Eine ausführliche Version des Artikels, mit noch mehr Beispielen von Dark Patterns, Informationen zur Zukunft von Dark Patterns und mehr findest Du bei Appmatics:
https://www.appmatics.com/blog/dark-patterns